Zugegeben, es ist nicht das beste Jahr, um einen Freiwilligendienst im Ausland zu machen. Man kann weniger rausgehen, weniger reisen, weniger Leute treffen. Dennoch habe ich trotz der Pandemie gerade die beste Zeit meines Lebens.
Ich heiße Hannah, bin 18 Jahre alt und verbringe zurzeit mein ESK in Portugal. Hier arbeite ich im Reitsportzentrum Cavalo Amigo und helfe überall mit, wo ein paar extra Hände gebraucht werden. Meine Aufgaben umfassen dabei nicht nur das Ausmisten der Ställe und die Fütterung der Tiere, sondern auch die Vorbereitung der Pferde für die Reitstunden. Außerdem werde ich bei der Bewegung und dem Training der Pferde abseits der Reitschule mit einbezogen, sodass ich beispielsweise kostenlosen Reitunterricht bekomme und mit den Pferden individuell arbeiten kann. Als langjähriges Pferdemädchen lebe ich quasi meinen Traum und entwickle meine Fähigkeiten unglaublich schnell weiter.
Cavalo Amigo ist ein recht kleines, aber dafür sehr familiäres Reitzentrum. Hier wird nicht nur Reitunterricht und Vorbereitung und Ausbildung für Turniere angeboten, sondern normalerweise auch Ferienangebote für Kinder und Pferdetherapie für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Sowohl durch ihre starke Körpersprache und sanfte, vorsichtige Art, als auch durch die Bewegungsabläufe beim Reiten, eignen Pferde sich nämlich sehr gut als Therapiepartner. Doch leider finden seit Beginn der Pandemie kaum noch Therapiestunden statt, sodass ich noch nicht die Möglichkeit hatte, dabei zu assistieren.
Zwischen und während der Reitstunden wird immer mit den Reitschülern und deren Eltern gequatscht, viele Kinder helfen tatkräftig bei der Versorgung der Pferde mit und irgendwer hat immer Kuchen dabei. Neben den beiden Reitlehrern arbeitet noch fast die ganze Gründerfamilie des Hofes mit, sowie eine angestellte Stallhilfe und eine zweite Freiwillige, die auch meine einzige Mitbewohnerin ist. Tetiana kommt aus der Ukraine, ist ein paar Jahre älter als ich und in den letzten Monaten eine sehr gute Freundin geworden. Wir machen fast alles zusammen, von der Arbeit über Ausflüge in der Umgebung von Figueira da Foz bis zum Baden im Atlantik, der nur eine Viertelstunde zu Fuß von unserer Wohnung entfernt ist. Es gibt eine riesige Strandfläche und eine Strandpromenade, wo sich Sternehotels, Restaurants und Bars aneinander reihen, und in der Sommersaison wird ein auch Rummelplatz aufgebaut. Da Figueira da Foz allerdings hauptsächlich vom saisonalen Tourismus lebt, ist es im Winter eher still und leer.
Erneuter Lockdown
Im Moment gäbe es aber sowieso nicht viele Gründe um rauszugehen, da Portugal sich nun auch wieder im Lockdown befindet. Die Regeln und Beschränkungen ändern sich gefühlt jeden Tag, vor allem seit nach den Feiertagen die Infektionszahlen besorgniserregend gestiegen sind. Zunächst hatte die Pandemie mein Projekt glücklicherweise eher weniger betroffen, schließlich müssen die Pferde immer versorgt werden und Bewegung bekommen. An die Maskenplicht im Stall habe ich mich schon lange gewöhnt, außerdem ist der Reitsport ein Individualsport, sodass auch lange noch Reitstunden stattfinden konnten. Nachdem nun aber auch die Schulen und Unis dichtmachen, schließt letztendlich auch die Reitschule und es gibt sehr strenge Beschränkungen, wie viele Leute sich gleichzeitig im Stall aufhalten dürfen. Daher sitzen wir zurzeit viel in der Wohnung, was sehr frustrierend sein kann.
Nicht nur das Projekt selbst leidet unter Corona, sondern auch viele Pläne, die ich für das Jahr hatte, müssen nun erstmal verschoben werden. Reisen ist erstmal unmöglich, weshalb ich leider erst sehr wenig von Portugal gesehen habe. Auch mein On Arrival-Training im November fand nur online über Zoom statt. Es war zwar trotzdem unterhaltsam und informativ, aber den direkten Kontakt zu anderen Freiwilligen, mit denen ich normalerweise eine Woche zusammen verbracht hätte, konnte es nicht ersetzen. Generell ist es sehr schwierig, neue Kontakte außerhalb der Organisation zu knüpfen.
Nichtsdestotrotz mache ich das Beste aus meiner Zeit hier: ich bin in einem wunderschönen Land, bei einem Projekt, das mir unglaublich viel Spaß macht, und darauf kommt es schließlich an.
Das Europäische Solidaritätskorps wird kofinanziert durch das Erasmus+ Programm der Europäischen Union.