Der russländische Angriffskrieg und die Jugendarbeit

Der russländische Angriffskrieg und die Jugendarbeit

Der russländische1 Angriffskrieg auf die Ukraine hat weltweit für Erschütterungen gesorgt. Auch wir vom PJR Dresden haben die Auswirkungen des Angriffskriegs in unserer täglichen Arbeit miterlebt, nicht nur weil unsere ehemalige ESKlerin Yuliia aus der Ukraine kommt, sondern auch weil wir uns die Frage stellen mussten, ob und wie wir in Zukunft mit russländischen Kooperationspartnern weiterarbeiten können und möchten, da unser Bildungsangebot auch internationale Jugendbegegungen mit und in der Russischen Förderation umfasst. Viele deutsche und ausländische Bildungsinstitutionen, Organisationen und Vereine haben ihre russländischen Kooperationen pausiert oder gar beendet. 

Auch wir vom PJR Dresden sind wütend und traurig darüber, dass der russländische Angriffskrieg auf die Ukraine nun fast zehn Monate andauert, Menschen- und Völkerrechtsverbrechen begangen werden und Ukrainer:innen aus ihrer Heimat fliehen mussten und immer noch müssen.
Gleichwohl haben wir uns dazu entschlossen über jedes Projekt im Einzelnen zu entscheiden und deshalb noch genauer bei unseren Kooperationsorganisationen hinzugucken.
Internationale Jugendarbeit heißt sich über verschiedene Themen aus verschiedenen Perspektiven auszutauschen, konkret sich über die Bedeutung von Zusammenhalt gegen den Krieg zu verständigen. Der Austausch mit regimekritischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus der Russischen Förderation trägt beidseitig dazu bei.

Dass diese durchaus kontroverse Position in der Praxis auf Hindernisse stößt und auch Probleme bei ihrer Umsetzung erzeugen kann, haben wir bei der internationalen Jugendbegegung „We have to talk“ beobachten und miterleben können. Ursprünglich war eine trinationale Jugendbegegnung zwischen Deutschland, der Ukraine und der Russischen Förderation geplant, die an zwei Orten in Deutschland stattfinden sollte. Das Format der Jugendbegegnung sollte gewissermaßen selbst zum Gegenstand gemacht werden, indem ein Raum für gegenseitige Unterstützung und Vernetzung mit Gleichgesinnten in Kriegszeiten geschaffen werden sollte. Internationale Jugendbegegnungen finden jedoch in keinem luftleeren Raum statt, sondern auf den digitalen Bühnen der Social Media Plattformen. Auf Facebook wurde in Folge eines Posts von einer ukrainischen Aktivistin ein Shitstorm ausgelöst der sowohl unsere deutsche Partnerorganisation als die ukrainische Partnerorganisation und die russländische Partnerorganisation traf. Der Shitstorm und der Druck der digitalen Öffentlichkeit führte dazu, dass sich die ukrainische Partnerorganisation zurückzog und ihre Teilnahme am Projekt beendete.

Einige der Äußerungen der Aktivistin sind nachvollziehbar und wir möchten mit diesem Kommentar keine Meinungen oder Gefühle delegitimieren, denn dies stünde uns hier als deutsche Organisation auch gar nicht zu. Wir stellen uns jedoch uneingeschränkt hinter unsere drei Partnerorganisationen. Die trinationale Jugendbegegnung sollte ein Angebot und ein Möglichkeitsraum für diejenigen sein, die reden und aktiv im Engagement gegen den Krieg sein wollen. Wir sagen nicht, dass alle das sollen. Wir können den Hinweis auf die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse nachvollziehen, jedoch verläuft der Prozess der Traumaverarbeitung individuell und die Teilnahme an Projekten wie diese trinationale Jugendbegegnung kann gewiss dazu beitragen, sich wieder als handlungsfähiges Subjekt zu erfahren und darüber hinaus Gedanken, Emotionen und Erfahrungen nicht zu verdrängen, sondern auszudrücken und sich mit gleichaltrigen darüber auszutauschen.

Wir, der PJR Dresden, unterstützen unsere Projektpartner und möchten sie weiterhin dazu ermutigen trinationale Jugendbegegnungen durchzuführen und sich nicht von Kritiken einschüchtern zu lassen. 
In der internationalen Jugendarbeit sind wir auf konstruktive Kritiken angewiesen und nehmen diese dankend an. Wir hätten uns darüber gefreut, wenn die beteiligten Personen auf uns und unsere Partnerorganisationen zugegangen wären und die Kritiken mit uns geteilt hätten, bevor diese auf einer Plattform zu teilen, die dafür bekannt ist, ein Katalystor für Hatespeech zu sein.
​​​​​​​Projekte mit russländischen Partnerorganisationen sollten nicht tabuisiert werden, ebenso nicht das Reden und Diskutieren über Meinungsverschiedenheiten. Die von uns geteilte Prämisse lautet hierbei, dass keiner der Partnerorganisationen den russländischen Angriffskrieg auf die Ukraine unterstützt und wir einen pluralen demokratischen Wertekanon teilen. 

Obwohl die internationale Jugendbegegnung anders verlaufen ist als geplant, war sie dennoch ein Erfolg. Wir werden uns auch zukünftig mit der Frage der russländischen Kooperationen beschäftigen müssen, ebenso mit der Dynamik von digitalen Öffentlichkeiten im Internet. 

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1: Es heißt an dieser Stelle „russländisch“ und nicht „russisch“, weil das Russische eine Sprachfamilie bezeichnet und Russländisch hingegen einen staatlichen und ethnischen Zusammenhang.