Coronavirus und das europäische Solidaritätskorps – Ein persönlicher Bericht

Coronavirus und das europäische Solidaritätskorps – Ein persönlicher Bericht

Eigentlich wollte ich nur Schönes berichten von meinem Freiwilligendienst, den ich seit Anfang Februar und bis Mitte Mai in der kleinen Stadt Dolný Kubín in der Slowakei verrichten sollte. Gern wollte ich von der schönen Natur berichten, den netten Menschen in der Schule, an der ich arbeitete und von dem Zusammenleben in einem Haus mit den anderen Freiwilligen aus Italien, Frankreich und Rumänien.

Doch dann kam, zunächst eher unerwartet, das Corona Virus dazwischen. Erst einmal beunruhigte mich das nicht und auch die anderen sahen keinen Grund zur Aufregung. Bis es plötzlich Anfang März hieß die Schulen werden geschlossen und die Slowakei will sich abschotten und ihre Grenzen schließen. Dies führte dann schließlich doch zu steigender Besorgnis und vielen Fragen. Wie lange wird das anhalten? Wird alles nach zwei Wochen vorbei sein und werden die Grenzen wieder öffnen? Sind wir jetzt in der Slowakei eingesperrt? Was wird jetzt mit meinem Projekt, wenn meine Schule geschlossen ist und wir keine Events mehr planen können? Soll ich hierbleiben und womöglich bis auf ungewisse Zeit oder bis zum Ende meines Projektes im Haus festsitzen?

Bleiben oder gehen?

Es folgten zahlreiche Gespräche und Diskussionen unter uns Freiwilligen, mit anderen Leuten und dem Chef meiner koordinierenden Organisation, Ondrej Mäsiar. Er unterstützte uns dabei zu gehen, wenn wir könnten. Für Tommaso aus Italien war es unmöglich, als er die Botschaft anrief sagten sie ihm nur, dass er das Land in zwanzig Minuten verlassen muss oder sonst nicht mehr nachhause kommt. Auch Thais aus Frankreich konnte wegen der Schließung des Flughafens in Bratislava nicht zurück. Ich selbst war also hin und hergerissen. Mit den anderen hatte ich mich gut angefreundet und so schlimm wäre es auch nicht alles in der Slowakei auszusitzen. Dennoch sah ich noch Möglichkeiten nachhause zu kommen und ich entschied mich dazu lieber bei meiner Familie zu sein. Auch deshalb, weil mein Projekt so kurz war und die Möglichkeit bestehen könnte, dass noch bis April und Mai Grenzschließungen anhalten könnten. Also wenn nicht jetzt, wann dann?

Erster Anlauf über Tschechien

Meinen ersten Versuch nachhause zukommen unternahm ich vergangenen Freitag. Mit dem Zug über Tschechien müsste es doch noch funktionieren, oder? Über Prag nach Dresden ist es ja auch nicht weit. Doch meine Reise endete schnell, als ich nach kurzer Busfahrt von Dolný Kubín in der nahgelegenen Stadt Ružomberok am Bahnhof stand. Theoretisch sollte von dort der Zug direkt nach Prag fahren, doch nun hieß es die Grenze ist zu, keine Züge fahren ins Ausland. Also kehrte ich niedergeschlagen zurück, um meine Kräfte zu sammeln und mich langsam damit abzufinden, doch meine Zeit weiter in der Slowakei zu verbringen. Doch so schnell wollte ich mich auch nicht geschlagen geben.

Also rief ich am nächsten Tag, nach langem Überlegen, die deutsche Botschaft in Bratislava an. Nie hätte ich gedacht mich jemals an eine deutsche Botschaft wenden zu müssen. Doch es war nicht umsonst. Entgegen meiner Erwartungen hatten sie noch eine Idee, um mir zu helfen. Sie rieten mir nach Bratislava zu fahren und dann weiter mit einem Taxi bis an oder über die österreichische Grenze.

Zweiter Versuch über Österreich

Und so begann am nächsten Tag meine abenteuerliche Reis

e zurück nachhause. Früh am Morgen setzte ich mich in den Zug nach Bratislava. Fast menschenleer war der Zug und die Zugbegleiterin war mit Mundschutz und Gummihandschuhen ausgerüstet, was schon ein etwas mulmiges Gefühl verursachte. Doch nach drei Stunden erreichte ich schließlich die slowakische Hauptstadt.

Mein nächstes Problem war es ein Taxi zu finden, doch keines wollte über die Grenze fahren – verständlicherweise. Schließlich fand ich jedoch einen netten Taxifahrer, der mich zumindest nah an die Grenze bringen konnte. Soweit so gut. Kurz vor dem Punkt, bei dem er mich absetzen wollte, fanden wir jedoch einige Polizisten vor, die ihn aufhielten. Doch zum Glück erlaubten sie mir zu Fuß weitergehen zu dürfen. Nun fand ich mich also irgendwo im Nirgendwo wieder, mit schwerem Rucksack und einem großen Koffer bepackt, dazu noch warmer Sonnenschein und Winterjacke. Drei Kilometer bis zur Grenze und noch vierzig Minuten bis der Zug fährt – das schaffe ich.

Zu Fuß über die Grenze

Also machte ich mich auf den Weg über die Landstraße und erreichte so schließlich Kittsee, ein kleines österreichisches Dorf an der Grenze, wo auch direkt der Zug nach Wien auf mich warten sollte. Doch zunächst musste ich noch den Grenzposten passieren, was aber nur ein Problem gewesen wäre, wenn ich von Österreich in die Slowakei gelaufen wäre. Den Gesichtern der österreichischen Beamten zu urteilen, hatte ich auch ein so seltsames Bild abgegeben, dass sie mich nur mit leichtem Grinsen und ohne weitere Kommentare passieren ließen. Somit hatte ich es also geschafft, naja zumindest fast, und war auf dem Weg nach Wien – jetzt konnte nichts mehr schief gehen.

Und tatsächlich war ich sehr überrascht. Die Züge waren leerer, aber immer noch gut gefüllt. Die Mitarbeiter trugen keine Masken und Handschuhe. Und noch seltsamer war – die Zügen fuhren alle pünktlich! Im Zug las ich dann auch, dass am nächsten Tag Deutschland seine Grenzen zu machen sollte, also war ich mehr als froh es noch geschafft zu haben.

Um Mitternacht in Dresden

Dann schließlich endete meine Reise kurz vor Mitternacht desselben Tages zurück in Dresden. Es ist für mich immer noch unfassbar, was sich alles durch diesen Virus verändert. Es gibt immer noch so viele Menschen, die irgendwo festsitzen und es nicht geschafft haben nachhause zu kommen, oder es noch versuchen müssen. Auch interessant war, wie schnell sich meine Gleichgültigkeit und meine Gedanken an übertriebene Panikmache veränderten. Zwar denke ich immer noch, dass viele Menschen übertreiben und sich unnötig von Panik anstecken lassen, dennoch ist es nun umso wichtiger das alle zusammenhalten und möglichst zuhause zu bleiben, damit die Krise sich nicht noch über Monate hinzieht und auch alle Menschen wieder zurück nachhause kommen können.

Ich denke wir können viel aus dieser unberechenbaren und neuen, sich jeden Tag verändernden, Situation lernen und sollten das auch nutzen um darüber nachzudenken, dass vieles was wir für selbstverständlich hielten, nicht immer so ist.