Mit dem Juni kommt der Anfang des Sommers, die große Hitze, die erste Ferienwochen… und der zweite Teil der internationalen Jugendbegegnung „Where do I belong“. Die Gruppe von dreißig Jugendliche, die sich schon eine Woche im März mit Fragen der eigenen und kollektiven Identität auseinandergesetzt hatte, ist am 8. Juni nach Terrasa gefahren. Der zweite Ort des Projektes, in unmittelbarer Nähe von Barcelona, ist die viertgrößte industrielle Stadt in Katalonien und hat eine bunte Geschichte. Das Ziel der Woche war hauptsächlich die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Identität durch neue Fragen im Bezug zum kollektivem Gedächtnis. Aber wie? Die Teilnehmende erwarteten unterschiedliche Workshops, Ausflüge und Aktivitäten.
Buddies und partizipative Methoden
Am ersten Tag, den Sonntag, hatten wir als Ziel gesetzt, uns besser kennenzulernen und einen theoretischen Sprung in das Thema zu machen. Mithilfe unterschiedlicher partizipativer Methoden wurden die Teilnehmenden motiviert, mitteinander ins Gespräch zu kommen. Es wurde anhand von verschiedenen Methoden über die Eigenschaften der eigenen Persönlichkeit geredet. La Vibria Internacional, die Organisation, die uns empfangen hat, moderierte diese Einheiten. Zum Beispiel wurde am Nachmittag die Themen eigene Identität und Wirkung der Staatsangehorigkeit in der Lebensgeschichte diskutiert, aber nicht in Plenum oder in einer frontalen Bühne, sondern durch eine Methode, die „Fishbowl“ heißt und die den Teilnehmenden die Gelegenheit gegeben hat, Rollen ständig zu wechseln.
Auch wurde das organisatorisch am ersten Tag kommuniziert und die Teilnehmende haben selbst an die gemeinsamen Regeln für unsere Begegnungswoche gebastelt. Dadurch konnten die Teilnehmende klar machen, welche Bedürfnisse für sie wichtig waren und ein schönes Miteinander zusammen gestalten. Auch wurde ein sogenannte „Buddy-System“ organisiert. Das heißt, jede*r Teilnehmeri*in hatte einen Buddy, eine Person die für sie sorgte und sich um einander kümmern sollte. Das galt für wichtige Kleinigkeiten (pünktlich zu sein!) und für generelles Wohlgefühl.
Ausflüge in die Geschichte
Am Montag sind alle Teilnehmende mit einem Ausflug an drei wichtige Orte in der spanischen und katalanischen Geschichte gereist. Zuerst haben wir das Museum für Exilium besucht, eine Initiative in La Jonquera (Spanien). In dem Museum kann man erfahren, wie die spanische beziehungsweise katalanische Geflüchtete vor dem spanischen Bürgerkrieg fliehen mussten. Mit einer Führerin hatten wir die Gelegenheit, viele Daten zu der Geschichte des spanischen Bürgerkriegs zu erfahren, wie beispielseweise Details zur katalanischen Republik, zum Anfang des Krieges durch einen Staatsstreich, über die Lager in denen die Geflüchteten untergebracht waren, über die gefährlichen Routen durch die Pyrenäen und die besondere Rolle, die das Nazi-Regime in der Ermordung von spanischen beziehungsweise katalanischen Wiederständler/innen nach dem spanischen Bürgerkrieg und in der Zeit des Franco-Regimes spielten. Danach sind wir über die Grenze nach Frankreich gefahren und haben zwei Gedenkstätte zum selben Thema besucht. Unsere Begleiterin hat den ganze Tag mit uns verbracht und alle mögliche Fragen beantwortet.
Einführung in das Thema „Oral History“
Am nächsten Tag hatten wir Besuch einer wissenschaftlichen Referentin, Roser Grau von der CERCA Organisation, die einen Workshop zum Thema mündliche Quellen / Oral History gehalten hat. Sie hat mitgeteilt, wie man Interviews mit Zeitzeug*innen durchführen kann und was man dabei beachten muss. Der Workshop war zwar etwas theorethisch und manchmal schwierig zu folgen, da eine große Sprachenvielfalt in der Gruppe existierte. Die Referentin und spontane Dolmetscher*innen haben sich Mühe gegeben und am Ende des Tages haben wir sogar eine Probe für ein Gespräch gemacht. Ziel des Tages war eine Vorbereitung für die kommende Veranstaltungen: wir würden unsere eigene Interviews durchführen und aufnehmen, da wir alle Zeitzeugn*innen unserer Zeit und besonderen Ereignissen sind.
Die drei Delegationen – die deutsche, die ukrainische und die katalanische – hatten während der Gruppenarbeit Zeit sich mit einem selbst gewählten Thema zu beschäftigen. Das Thema sollte für den Kontext des eigenes Landes relevant sein; beispielsweise das Referendum für die Unabhängigkeit Kataloniens am 1. Oktober 2017 oder die Situation mit Rechtextremismus in Deutschland. Nach viel Arbeit kam der Spaß: der ukrainische Abend, wo die ukrainische Gruppe sich viel Mühe gegeben hat, einen wundervollen kulturellen Abend zu gestalten.
Am Mittwoch hatten wir noch einen zweiten Workshop zu mündlichen Quellen, diesmal zu den technischen Aspekten hinter eines Interviews. Unser Referent hat uns gezeigt, wie man ein Gespräch mit der Kamera gestalten kann und was für ein gutes und hilfreiches Ergebnis wichtig ist. Danach hatten wir Zeit für die Aufnahme unsere eingene Videos. Wir haben uns in Gruppen von drei Personen geteilt und ständig die Rollen gewechselt: die Person, die Fragen stellt. Die Person, die Fragen beantwortet. Die Person, die mit der Kamera aufnimmt. Am Nachmittag haben wir Feedback für unsere Projekte von Roser bekommen und der Tag kam zu seinem Ende mit dem deutschen Abend, der auch eine besondere Erfahrung war.
Film mit Besuch des Regisseurs
Für den Donnerstagvormittag war die Vorstellung eines Filmes geplant, der „El retratista“ heißt und der die Geschichte eines Lehrers in einem kleinen Dorf in Spanien erzählt. Der Lehrer war ein progressiver Pädagoge, der sich mit neuen Tendenzen beschäftig hat und aufgrund seinen Ideen von den Falangistas (ein Art des Faschismus in Spanien) zu Beginn des Krieges ermodert wurde. Der Regisseur kam zu unserer Veranstaltung und hat den Film kurz vorgestellt, aber leider gab es keine Zeit für das Gespräch, das folgte. Dennoch haben die Teilnehmende eine interessante Diskussion zu Themen wie Demokratie, Bürgerbeteiligung, Unterschiede zwischen osteuropäischen Demokratien und die Wahrnehmung von Demokratie in Ländern wie Deutschland usw.
Am Nachmittag hatte La Vibria Internacional einen Workshop zu katalanischen Traditionen und auch freie Zeit für die Teilnehmende geplant, aber von der Gruppe kam drn Wunsch, nach Barcelona zu fahren, da die Stadt wirklich in der Nähe von Terrassa liegt. Mithilfe des Orga-Teams haben sie einen Ausflug organisiert und einen Nachmittag lang die freie Zeit in der Stadt genossen.
Am Freitag hatten wir genüge Zeit für eine Auswertung, die uns die Möglichkeit gegeben hat, Feedback zu der gemeinsamen Woche zu geben und das Erfahrene und Erlebte auszutauschen. Auch war Zeit für die Projektschmiede, innerhalb derer die Teilnehmenden in kleinen Gruppen Ideen für künftige Projekte entwickelt haben. Dabei entstanden auch Ideen für Folgeprojekte, an denen nun in den nächsten Woche weiter gebastelt wird. Ebenso werden wir noch unseren Blog online stellen, der Eindrücke unserer gemeinsamen Zeit versammelt!
Dank geht an das Programm Erasmus+ der Europäischen Union das Programm der interregionalen Zusammenarbeit des Landes Sachsen sowie das Jugendamt der Stadt Dresden, ohne die das Projekt nicht möglich gewesen wäre!