Cities For You. Cities For Europe.

Cities For You. Cities For Europe.

Seminarbericht von Marcus Weber

Vom 07. bis zum 10. April trafen sich mehr als 30 TeilnehmerInnen aus acht verschiedenen europäischen Städten (Trikala, Graz, Kaunas, Iasi, Arad, Stara Zagora, Dresden und Strasbourg) in Trikala (Griechenland) um Erfahrungen auszutauschen, sich zu vernetzen und zielorientiert zu arbeiten. Im Zentrum des Meetings standen zwei zentrale Themenblöcke:

– Welche Möglichkeiten bieten „New Technologies“ im öffentlichen Raum?
– Wie ist es möglich, die Mitglieder des europäischen Parlaments näher an die BürgerInnen zu bringen?
Aus Dresden nahmen neben mir vom Politischen Jugendring Dresden e.V. noch Franziska Feldmann (Jugendinitiative Demokratie) und Anja Krebs (Mitarbeiterin im Rathaus für europäische und internationale Angelegenheiten) teil.
Da um 06:30 der Flieger von Dresden über Frankfurt nach Athen ging, trafen wir uns am Abreisetag bereits gegen 05:00 am Flughafen Dresden. Müde aber gespannt auf die nächsten Tage machten wir uns also auf den Weg über die Alpen und den Balkan in das Land, welches die Wiege der europäischen Zivilisation und Kultur ist.
In Frankfurt stießen dann auch die ersten, aus den vorherigen Treffen in Dresden (bzw. Strasbourg), bekannten Gesichter aus Litauen und Frankreich zu uns.
Gegen halb zwei erreichten wir die griechische Hauptstadt und fuhren von hier aus mit dem Bus noch einmal ca. drei Stunden nach Trikala, welches sich in der thessalischen Ebene in Zentralgriechenland befindet und ca. 60.000 Einwohner hat. Als Geschichtsstudent und historischer interessierter Mensch waren allein diese Stunden auf Autobahn und Landstraße ein Erlebnis – fährt man doch ,neben der Akropolis, ständig an Hinweisschildern wie „Delphie“ oder „Thermopylae“ vorbei.

Gegen 18:00 erreichten wir schließlich Trikala, und nach einer kurzen Pause ging es auch schon zum ersten gemeinsamen Abendessen. Hier wurden die Themenblöcke für die nächsten beiden Tage näher beleuchtet und organisatorische Fragen geklärt. Außerdem ergab sich die Möglichkeit in ungezwungener Atmosphäre mit den TeilnehmerInnen aus den anderen Städten in Kontakt zu kommen. bzw. bereits bestehende Kontakte wieder aufzufrischen und Neuigkeiten (politisch und privat) und Meinungen über verschiedene Themen auszutauschen. Natürlich stand auch hier das Thema „Ukraine und Russland“ weit oben auf der Liste und es war spannend, Perspektiven aus anderen EU-Mitgliedsstaaten (z.B. Litauen und Rumänien) kennenzulernen.

Am nächsten Tag begann gegen 08:30 dann auch tatsächlich der offizielle Teil des Meetings. Eröffnet wurde das Treffen durch den Bürgermeister und den stellevertretenden Bürgermeister der Stadt Trikala. Hier zeigte sich bereist, welche Bedeutung diesem vom Club de Strasbourg organisierten Projekt beigemessen wurde.
Im Anschluss stellten die Vertreterinnen der jeweiligen Städte verschiedene Projekte auf der Basis neuer Technologien (digitale Kommunikationswege, Web 2.0 etc.) vor und erklärten wie diese im öffentlichen Raum genutzt werden. So ist Trikala zum Beispiel die erste „digitale Stadt“ Griechenlands und somit eine Art Versuchsfeld für Projekte, die anschließend im gesamten Land Anwendung finden sollen. So wurden und werden hier über 30 km Glasfaserkabel verlegt, die öffentliche Gebäude mit einem High-Speed Internetanschluss und dem griechischen Verwaltungsnetzwerk verbinden.

Die öffentlichen Gebäude in der Peripherie der Stadt werden zudem mit einem Breitband-Funknetzwerk ebenfalls an dieses Netzwerk angeschlossen.

Durch das „Dimosthenis-Projekt“ kann die Kommunikation zwischen Bürgerinnen und der Stadtverwaltung erheblich erleichtert und beschleunigt werden. „Dimosthenis“ ist ein spezielles System, das es ermöglicht ganz gezielt Anfragen und Beschwerden von Bürgerinnen zu bearbeiten. So gibt es eine zentrale Telefonnummer/ E-Mail-Adresse, an die sich die Einwohnerinnen wenden können, wenn z.B. ein Baum gefällt werden soll, sich ein Loch im Gehweg befindet, sich Müll an einer Straßenecke sammelt usw. Es ist also nicht mehr nötig sich x-verschiedene Adressen zu merken, sondern es gibt eine Anlaufstelle, von wo aus die Anfragen an die jeweils zuständigen Behörden und ggf. Unternehmen weitergeleitet werden. Was sich anhört wie in simples System führt jedoch, nach Aussage von Kali Liatou – unserer „Gastgeberin“ – dazu, dass sich die EinwohnerInnen immer mehr für kommunale Belange interessieren, weil sie die Möglichkeit sehen mit einfachen Schritten an der Gestaltung des öffentlichen Raumes zu teilzuhaben.

Ein weiteres spannendes Projekt ist sicherlich „e-dialogos“. Diese Plattform bietet nicht nur die Möglichkeit sich über Neuigkeiten der kommunalen Verwaltung zu informieren, sondern in moderierten Foren auch ganz gezielt zu diskutieren und sogar Anträge in die Sitzungen des Stadtrates einzubringen. Selbst das Sammeln digitaler Unterschriften ist hier relativ einfach möglich, um zum Beispiel Bürgerentscheide zu initiieren. Das Ziel dieser Projekte ist es einerseits, vor allem jüngeren Menschen eine einfache und zeitgemäße Form von Partizipations-möglichkeiten zu bieten. Die schon angesprochene dadurch steigende Identifikation der EinwohnerInnen mit der Stadt ist natürlich ein wunderbarer Effekt. Auch in Dresden wurde und wird darüber diskutiert, wie man eine höhere Beteiligung an kommunalen Entscheidungen und eine aktive Partizipation erreichen kann. Vielleicht kann ja „e-Trikala“ hier Denkanstöße liefern.

Doch auch Dresden bietet teilweise erstaunliches: wusstet ihr z.B. dass es eine „Dreck – Weg“-App gibt?! Einfach direkt an der jeweiligen „Dreckecke“ die App aktivieren, kurze Beschreibung hinzufügen und via GPS-Signal wir der genaue Standort ermittelt. Ganz automatisch wird dann das zuständige Ortsamt informiert und die Beseitigung des Ärgernisses veranlasst.
Fast alle beteiligten Städte verfügen über teilweise sehr innovative Projekte im Bereich des E-Gouvernement – sowohl im front-office, als auch im back-office. Unterbrochen von einigen kleinen Kaffee- und einer Mittagspause gab es noch Vorträge über technische/politische und rechtliche Aspekte dieses Themas.

Im Anschluss wurden in einer Gruppen-arbeitsphase ganz gezielt einige der

vorgestellten Projekte noch einmal unter die Lupe genommen, an die Bedürfnisse und Voraussetzungen der jeweiligen Städte angepasst, um die Projekte, wenn möglich, auch auf andere als den „originalen“ Standort auszuweiten.
Einige Gruppen beschäftigen sich auch schon mit der Frage, wie diese Konzepte der kommunalen Partizipation möglichweise auf eine europäische Ebene zu übertragen wären. Diese Überlegungen sollten dann vor allem am darauffolgenden Tag relevant werden.
Vorerst jedoch beendeten wir den offiziellen Teil und begaben uns auf eine kleine geführte Tour kreuz und quer durch die Stadt. Mein kurzes Fazit hierzu: wer Griechenland einmal abseits von Badestrand und Massentourismus sehen möchte, für den ist Zentralgriechenland und Trikala sicher ein guter Tipp! Den Abend ließen wir bei einem üppigen Essen und viel Spaß in einer urigen Taverne ausklingen. Angeblich sollen auch zu späterer Stunde noch TeilnehmerInnen in Bars und Kneipen gesichtet wurden sein…
Der nächste Morgen begann mit einem Ausflug zu den, zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden, Meteora-Klöstern. Hier bietet sich den BesucherInnen ein atemberaubende Anblick: 24 Klöster stehen auf mehreren hundert Meter hohen Felsnadeln und thronen über der thessalischen Ebene. Dahinter erhebt sich das bis zu 2.600m hohe Pindos-Gebirge. Wir besuchten zwei der Klöster, und in einem der beiden ergab sich für uns die Möglichkeit einem griechisch-orthodoxen Mönch zuzuhören, Fragen zu stellen und so etwas über diese Anlage, die Symbolik und Liturgien des orthodoxen Glaubens zu erfahren.
Nach diesem grandiosen kulturellen Einstieg in den Tag wartete noch ein Nachmittag voller Arbeit auf die Gruppe.
Im Zentrum stand diesmal die Frage – mit Blick auf Europawoche und Europawahl – wie die gefühlte Distanz zwischen dem Europäischen Parlament und seinen Mitglieder und den BürgerInnen in der EU überbrückt werden kann. Bereits im Vorfeld des Meetings hatten sich die TeilnehmerInnen aus allen beteiligten Städten hierzu Gedanken gemacht. Es kristallisierten sich relativ schnell einige Punkte heraus, die in dieser Vorbereitungsphase mehrfach auftauchten. Ich kann hier nur Beispielhaft einiger der genannten Ideen aufzählen. Als grundlegend stellte sich eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen LokalpoitikerInnen sowie lokalen Institutionen und den Institutionen und PolitikerInnen auf europäischer Ebene heraus. Mögliche Ideen zur Vermittlung zwischen lokaler und europäischer Ebene könnten sein:
– stärkere Präsenz des Themas „Europa“ in Schulen. MEP (Member of the european parliament) sollten regelmäßig an Schulen und bei außerschulischen Veranstaltungen über ihre Arbeit, Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen des europäischen Parlaments berichten.
– Verstärkte Möglichkeiten zu freiwilligen Praktika, FSJ-Politik etc. direkt bei MEPs
– Grundlegend wären Abgeordnetenbüros in den jeweiligen Heimatstädten der MEPs mit Sprechstunden, Möglichkeiten zur Information etc.
– verstärkte Zusammenarbeit mit Jugendinitiativen und Einrichtungen der politischen Bildung. Dafür sind geeignete Formate gefragt!
Eine erste Berührung mit den Themen „Politik“ und „Europa“ muss nicht durch einen trockenen Vortrag geschehen. Partys, Konzerte, Filmevents, Sport, interaktives Arbeiten bieten Möglichkeiten Bildung, Partizipation und Spaß zu verbinden. Politik ist weder spießig noch nur für Nerds (wer einmal bei einer Austausche/Bildungsfahrten des PJR dabei war, der weiß, was ich meine…)

 – Stärkere Berücksichtigung von spezifischen Anliegen Jugendlicher in der europäischen PolitikDiese Aufzählung ließe sich fortführen. Einige dieser Punkte lassen sich einfacher, andere sicher nur mit etwas mehr Vorbereitung realisieren. Dennoch war es spannend und produktiv auch die eigene „Arbeit“ kritisch auf Zielstellung und mögliche Verbesserungen hin zu reflektieren. Die Überlegungen gingen jedoch noch weiter bis hin zu einer grundlegenden Reform des Wahlsystems für das EU-Parlament. Die Vergabe von Direktmandaten könnte hier sicherlich dafür sorgen, dass auch die Abgeordneten selbst ein verstärktes Interesse an einer Kommunikation mit den Bürgern und Bürgerinnen haben.

Am Ende der Tagungsreihe (es soll noch ein Treffen in Strasbourg folgen), soll eine 25 Seiten starke Broschüre stehen, welche dann an die (neu) gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments überreicht werden soll. In Trikala wurde dazu ein gutes Stück der Arbeit geleistet.

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