Wohnungslosigkeit im Fokus

Wohnungslosigkeit im Fokus

Deutsch-tschechischer Workshop der Brücke/Most-Stiftung

Mitte Mai fand der Workshop „Neue Perspektiven? Zurück in die
„wohnende Gesellschaft“ in benachbarten Ländern“ in Dresden statt.
Die Brücke/Most-Stiftung organisierte diese sechstägige internationale Begegnung
zwischen interessierten jungen Menschen aus Deutschland und Tschechien. Die
praktische Begegnung mit dem Thema Wohnungslosigkeit sollte helfen
Stereotypisierungen abzubauen und neue Wege zu finden, wie nachhaltiges
soziales Engagement im Bereich der Wohnungslosenhilfe möglich ist. Durch den
Vergleich zwischen den Hilfsangeboten in Tschechien und Deutschland wurde es
möglich vermeintlich Selbstverständliches zu hinterfragen und über manches aus
einem neuen Blickwinkel nachzudenken. Ich als Praktikantin des PJR war auch
dabei und werde euch hier einige Eindrücke dieser Woche schildern.

Unterwegs in Zižkov

Stolz zeigt uns Honza wie aus den Bücherresten, die er im Prager
Stadtteil Žižkov aus Mülltonnen fischt und von der Straße aufsammelt, neue
Notizhefte und Kalender gefertigt werden. Dass Honza wohnungslos ist sieht man
ihm nicht direkt an. Seine Kleidung ist sauber und er ist gepflegt. Honza ist
einer von acht Stadtführern, die über das Sozialunternehmen Pragulic eine
Arbeitsstelle gefunden haben. Wohnungslose werden hier als Stadtführer
angestellt und erhalten bis zu 400 Euro Gehalt im Monat.

Hilfsangebote in Deutschland und Tschechien         

Pragulic ist ein Projekt, welches wir bei unserer eintägigen Exkursion
nach Prag kennen gelernt haben. Wir nahmen aber nicht nur an der Stadtführung
teil, sondern besuchten auch, wie bereits in Dresden, die dortige
Wohnungslosenhilfe der Heilsarmee. In Prag standen wir sozusagen auf einmal
mitten drin. Neben uns die Rezeption, ein Stück weiter die Essensausgabe und
die Schlafräume. Für etwa 1,50 Euro pro Nacht bekommt man hier einen
Schlafplatz. Wir durften uns einen Schlafraum anschauen. In dem Zimmer gab es
keine Schränke oder Tresore. Wir fragten, was die Wohnungslosen mit ihren
Wertsachen machen, wenn sie sich hier aufhalten bzw. schlafen. Unser Ansprechpartner
verwies darauf, dass die Kapazitäten nicht ausreichen, und die Bewohner somit
auf ihre Sachen gut Acht geben müssen.

 

Mit diesen Eindrücken aus Tschechien konnten wir die in den
vorangegangen Tagen in Dresden gemachten Erfahrungen noch einmal Revue passieren
lassen. Auch hier haben wir Anlaufstellen, Träger und Hilfsangebote besucht und
anhand von Vorträgen und Diskussionen einiges über die Situation und Probleme
von Wohnungslosen erfahren. Neben der Heilsarmee gaben uns die Dresdener Tafel,
die Diakonie, die drObs die Treberhilfe, das Nachtcafe, sowie Mitarbeiterinnen
des Sozialamtes einen Einblick in ihre tägliche Arbeit. Besonders gefreut hat
uns, dass sich ein von Wohnungslosigkeit Betroffener bereit erklärte uns von
seinem Leben zu erzählen. Wir waren bemüht bei unserem Workshop niemanden zu
bedrängen, deshalb waren wir über diese Zusage sehr glücklich.
“Hang up
and help out”
Als Abschluss unserer Woche sollte im Alaunpark in der Dresdener
Neustadt der erste Street Store in Deutschland eröffnen. Entwickelt wurde dieses
Konzept 2014 in Kapstadt, Süd-Afrika wo Armut und Wohnungslosigkeit eine
weitaus größere Problematik darstellt als in Deutschland. Die Idee dahinter
ist, an einem öffentlichen Platz gesammelte Kleiderspenden auszulegen und an
Bedürftige, insbesondere Wohnungslose, zu verschenken.
Mittlerweile gibt es
über 100 Street Stores auf der ganzen Welt. Einer der Gründer aus Kapstadt, Max
Pazak, kam sogar am Freitag zu unserem Stand in den Alaunpark, was uns
natürlich sehr gefreut hat. Das Konzept des Street Stores ist schnell erklärt,
doch hat sich bei der weltweiten Verbreitung des Konzepts gezeigt, das auf die länderspezifische
Lage der Wohnungslosen konkret eingegangen werden muss. Auch bei unserem Street
Store lässt sich sicherlich noch einiges verbessern bzw. das Angebot erweitern.

 

Die Begegnungen, die wir diese Woche über gemacht haben, waren
bereichernd und gleichzeitig machen sie nachdenklich. Wohnungslosigkeit drängt
Betroffene weiterhin an den Rand der Gesellschaft. Mehr Verständnis und weniger
Vorurteile können erste Schritte sein, um dem großen Problem entgegenzutreten. Hierfür
war der Workshop ein erster guter Anfang.
Beste Grüße, Sarah
Links zum Thema: 
  • www.bmst.eu/index.php
  • www.diakonie-dresden.de
  • www.dresdner-tafel.de
  • www.drobs-strassenzeitung.de
  • www.heilsarmee.de/dresden/ueber-uns.html
  • www.pragulic.cz
  • www.thestreetstore.org
  • www.treberhilfe-dresden.de